Rednerin Johanna Zimmermann: Erfahrungen aus der Sicht einer Schülerin

"Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Projektteilnehmer,

stellen Sie sich vor, Sie haben in der rechten Hand zwei Bälle und in der linken einen. Jetzt werfen Sie einen der beiden rechten Bälle diagonal auf Stirnhöhe hoch und sobald er diesen Punkt erreicht hat, werfen Sie den Ball in Ihrer linken Hand. Sobald der wiederum auf Stirnhöhe ist, werfen Sie den anderen Ball aus Ihrer rechten Hand.


Jonglieren, ganz einfach.


So, sehr geehrte Damen und Herren, haben wir Schüler uns gefühlt, als wir das erste Mal in dem Projekt Jugend und Wirtschaft zusammensaßen und besprachen, wie man einen wirtschaftlichen Artikel schreibt. Zahlen, Daten, Fakten. Ganz einfach, oder?
Einfach ist das ganz und gar nicht.
Es fing schon mit der Themenfindung an. Das eine Thema war nicht wirtschaftlich genug, das andere zu aktuell. Ewig grübelten wir, sammelten Vorschläge an der Tafel, um sie dann doch wieder wegzuwischen.
Meine erste Themenwahl ging in die Hose. Ich wollte über Würstchenautomaten schreiben, aber an Zahlen kam ich einfach nicht ran. Als ich nicht mal den Einkaufspreis eines solchen Automaten ausfindig machen konnte, hatte ich die Würstchen satt. Ungefähr gleichzeitig wurde ich Vegetarierin.


Ich war enttäuscht und suchte verzweifelt nach einem neuen Thema mit dem ich es nochmal probieren wollte. Mit meiner Mama kam ich auf Bio- Textilien.
Mit dem Thema kam ich so richtig in Fahrt. Wie auch die anderen aus meinem Kurs begann ich Umsatz und Produktionskosten von allen Dingen und Dienstleistungen, die mir begegneten, zu hinterfragen. Egal, wo ich unterwegs war, alles suchte ich nach Hinweisen ab. Auf der Toilette meiner Babysitter Familie entdeckte ich dann einen Bestellkatalog des Marktführers für Biotextilien Hessnatur. Der erste O-Ton in Form einer Kundin war gefunden.
Kurze Zeit später fuhren wir mit dem Kurs die Redaktion der F.A.Z. und Herrn Dr. Weber besuchen. Beeindruckend war es, in den Räumen zu stehen, in denen die Zeitung entsteht, die wir seit Beginn dieses Projektes in unseren Briefkästen fanden.

Hilfreich war auch das Auseinandernehmen jedes Artikels mit Ihnen, Herr Dr. Weber. Sie konnten doch viele von uns motivieren, noch einmal weiter zu recherchieren. An diesem Tag haben Sie uns einen wirklich interessanten Einblick hinter die Kulissen einer Zeitung gegeben und uns ein ganzes Stück weitergebracht mit unseren Ideen. An dieser Stelle möchte ich mich im Namen aller Projektteilnehmer bei Ihnen für Ihr Engagement und die viele Zeit, die Sie für dieses Projekt und damit für uns aufgewendet haben, bedanken.
 Überwältigt waren wir auch als wir in der Druckerei waren. Die Vorstellung, dass hier vielleicht mal der eigene Artikel durch die Rotationsmaschinen trudeln würde, erschien sehr unrealistisch. Und doch ist mein Artikel einige Monate später genau dort gedruckt worden.

Wir wissen alle wie wir uns über einen lang ersehnten Brief freuen können, um die Weihnachtszeit voller Neugierde Päckchen entgegennehmen oder uns über so manche Rechnungen ärgern. Aber war das ein so neues überragendes Gefühl, als ich meinen selbst geschriebenen Artikel in der F.A.Z. las. Dahinter steckte in diesem Moment vielleicht ein kluger, aber vor allem ein vor Aufregung hochroter Kopf.

Bei meinem nächsten Artikel über Flugzeugküchen spielte insbesondere Glück eine große Rolle.
Der erste Glückstreffer war der Schwedenaustausch unserer Schule. Ende April saß ich im Flugzeug nach Göteborg. Diesmal entdeckte ich das Gesuchte vor der Toilette. Eine Sell Bordküche. Der O-Ton stand lächelnd daneben, etwas verwundert darüber, dass ich nicht auf meinem Sitz wartete, denn er würde gleich Getränke bringen.

Den zweite Glückstreffer habe ich Herrn Dr. Horstschäfer zu verdanken. Im Nachhinein sehe ich das zumindest so. Damals war ich am Verzweifeln, weil er immer neue Fragen hatte. Woher sollte ich das wissen? Aber auch die Hartnäckigkeit, die ich während des Telefonierens entwickelt hatte, half mir. Anfangs fiel es vermutlich uns allen schwer, fremde Menschen anzurufen. Ich fand es dreist, nach den Umsätzen zu fragen, und es war mir unangenehm nachzuhaken. Doch mit der Zeit wurde deutlich: Nur so kamen wir an die nötigen Zahlen, Daten und Fakten. Deshalb rief ich ungefähr täglich bei der Sell GmbH an, fragte dies und das, aber den Umsatz des letzten Jahres rückte die Pressesprecherin einfach nicht raus.

Solange in dem Artikel aber nicht der Umsatz steht, wusste ich mittlerweile gut genug, würde Herr Dr. Horstschäfer keine Ruhe geben. Mein Ehrgeiz war jetzt groß genug, und ich wollte unbedingt diese eine Email bekommen, in der Herr Dr. Horstschäfer schreibt „Ich habe keine weiteren Fragen“. Deshalb rief ich noch ein letztes Mal in Herborn an. Und siehe da, die Pressesprecherin war nicht im Haus und jemand anderes, leitete mich direkt zum Verantwortlichen für Finanzen. Ganz stolz verriet mir dieser den Umsatz des Unternehmens von 2011. Welch ein Glück.
 Mit den Zahlen hatten viele von uns Probleme. Da hilft auch kein guter Schreibstil, Hartnäckigkeit oder Ausdauer , wenn die Firmen die Umsatzzahlen geheim halten wollen. Der eine oder andere von uns verlor hier die Geduld.
 Das leitet mich direkt zu meinem letzten Thema. Eigentlich wollte ich über Prothesen schreiben, aber darüber schrieben schon die Profis der F.A.Z. Tatsächlich war kurz danach ein Artikel über das Unternehmen, das ich im Visier hatte, in der F.A.Z., aber pfff. Sogar wir Fast-Profis merkten, da waren viel weniger Zahlen, Daten und Fakten als in den Jugend-und-Wirtschaft-Artikeln. Der Artikel, so schien es uns, hatte nicht durch die Horstschäfer-Kontrolle gemusst.


n dieser Stelle Herr Dr. Horstschäfer möchte ich Ihnen im Namen aller Projektteilnehmer danken. Ihre schnellen Antworten zu fast jeder Tageszeit sind keine Selbstverständlichkeit. Zusammen rätselten wir, ob Sie wohl Ihre E-mails aufs Handy geschickt bekommen oder Ihnen ein iPad angewachsen ist, während bei uns Ausreden wie „mein Computer ist kaputt“ oder „das Internet funktioniert nicht“ alltäglich waren. Auch die Zeit, die Sie sich für das Lesen unserer Entwürfe genommen haben, ist erstaunlich. Vielen herzlichen Dank dafür.

Durch Ihr Fragen und Nachhaken habe ich einen solchen Ehrgeiz entwickelt, alles zu beantworten und richtig zu machen, wie ich ihn noch nie während meiner Schulzeit hatte. Durch Ihre vielen Fragen haben wir alle gelernt, was wichtig ist in einem Wirtschaftsartikel. Auch wenn wir manchmal fast verrückt geworden sind und die Fragen als kleinlich ansahen, waren wir umso stolzer, als wir Ihnen den neuen Entwurf endlich schicken konnten.

Trotz all dieser Herausforderungen haben wahrscheinlich die wenigsten von uns Projektteilnehmern jemals so viel Spaß und Begeisterung am Schreiben und Recherchieren in der Schule gehabt.
 Jedenfalls ließ ich mich nicht ganz von Prothesen abbringen und folgte der Idee meines Lehrers, Herrn Kaiser, auf Augenprothesen auszuweichen. Bei diesem Artikel lief alles perfekt. Das medizinische Thema interessierte mich und meinen besten O- Ton fand ich diesmal nicht in der Nähe einer Toilette, sondern beim Grillen mit Freunden, als einer zu mir meinte: „Du, ich hab doch ein Glasauge.“

Die Jagd nach den anderen O-Tönen war schwerer. Die Glasaugenmacher schienen nur auf Reisen zu sein. Und so musste ich doch die eine oder andere Unterrichtsstunde ausfallen lassen, um einen O-Ton auf dem Sprung zu erwischen. Die Erfahrungen der vorherigen Artikel halfen mir und es ist schön selbst zu merken, wie viel man schon gelernt hat, und zu sehen, dass der erste Entwurf schon so ist, wie bei dem anderen Artikel vielleicht der zweite. Das zeigt neben all der Begeisterung, die sich entwickelt hat, dass sich auch das Schreiben und die Suche nach den richtigen Informationen verbessert haben.

Allein hätte ich das aber nie geschafft. Diese Entwicklung hat nur so gut geklappt, weil meine Lehrer Frau Leiter-Münch und Herr Kaiser jederzeit meine Fragen beantwortet haben und mich immer wieder motiviert haben, weiterzurecherchieren. Einen herzlichen Dank auch an die beiden.

Ganz besonders möchte ich hier schließlich dem Bundesverband deutscher Banken danken, und hier stellvertretend der Direktorin Frau Papke als verantwortliche Projektleiterin, danken dafür, dass der Bankenverband das Projekt Jugend und Wirtschaft gemeinsam mit der F.A.Z. überhaupt möglich gemacht hat. Wir alle haben in diesem Jahr so viele Erfahrungen gesammelt, so vieles gelernt, eigene Stärken und Schwächen kennengelernt und vor allem Ehrgeiz und Ausdauer auf die Probe gestellt, wie es in der Schule allein nie möglich gewesen wäre. Haben Sie vielen Dank für diese Chancen.
Um zurück zum Jonglieren zu kommen, so finde ich, dass wir im Projekt Jugend und Wirtschaft mit der Themenfindung, der Recherche und dem Schreiben jonglieren mussten. Nur wenn jeder dieser drei Bälle durch hartes Training richtig geworfen war, konnte ein guter Artikel daraus werden. Für dieses Training möchte ich mich noch ein letztes Mal bei allen Genannten für ihre Geduld und Nachsicht bedanken. Und dafür, dass ich jetzt hier als eine der drei Einzelpreisträgerinnen stehen darf."

Demnächst am LLG

10 Mai 2024 , 10:00 - 11:00, beweglicher Feiertag
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