Interview mit Christoph Geibel zum Geschichtswettbewerb aus "SPUREN SUCHEN Nr. 10, 1996"

Der folgende Auszug stammt aus einem Interview, das Stefanie von Drathen für SPUREN SUCHEN Nr. 10 1996 mit Christoph Geibel, Lehrer am Landgraf-Ludwigs-Gymnasium, über seine Arbeit als Tutor im Geschichtswettbewerb führte.

SPUREN SUCHEN: Worin sehen Sie die Hauptaufgabe eines Tutors?

Geibel:  Häufig ist die Frage der Motivation entscheidend. Da wir eine kleine Schule sind, kenne ich die meisten Schüler. Ich versuche einzuschätzen, wie ich sie anzupacken habe, um sie bei der Stange zu halten. Man braucht Fingerspitzengefühl und muss schon mal etwas für die Verbesserung des „Betriebsklimas“ tun – ein kleines Kaffeekränzchen kann da oft wahre Wunder wirken. Außerdem ist der Prozess in der Regel wichtiger als das Ergebnis. Manchmal sagt mir zum Beispiel mein Gefühl, dass es für die Entwicklung eines Schülers extrem wichtig ist, die Arbeit abzuschließen und einzuschicken – selbst wenn kein Preis dabei herauskommt.

SPUREN SUCHEN: Haben Sie solche Erkenntnisse bei Ihrer zweiten Teilnahme umgesetzt?

Geibel: Bei der Ausschreibung „Umwelt hat Geschichte“ habe ich das Thema „Die Entstehung der Wasserleitungen in Gießen“ vorgeschlagen. Zwei Schüler interessierten sich dafür, und ich bin mit ihnen einmal ins Archiv gegangen. Danach haben wir uns noch einige Male zu Besprechungen des Konzepts getroffen, und schließlich habe ich das bereits abgeschickte Endprodukt gesehen.

SPUREN SUCHEN: Wie bereiten Sie heute Ihre Projekte vor?

Geibel: Ich setze mich zunächst inhaltlich mit dem Thema auseinander, und dann prüfe ich die technische Durchführbarkeit: Ansprechpartner, Archivmaterial und Zeitzeugen. Grundsätzliche Dinge müssen vorab geklärt sein, damit die Schüler, die sich ein tolles Thema gesucht haben, nicht erst im Laufe der Recherche darauf kommen, dass das Thema wegen fehlender Quellen gar nicht zu bearbeiten ist.

Dieser Vorlauf gestaltet sich je nach Thema unterschiedlich. Zum Wettbewerb „Ost-West-Geschichte“ habe ich im Archiv bis auf die Akten zum Gießener Notaufnahmelager für DDR-Flüchtlinge nichts gefunden. Deshalb habe ich zusätzlich alte Zeitungen gelesen und dabei eine Menge Themen aufgespürt. Zum Beispiel bin ich durch Theaterkritiken auf einen Theateraustausch mit der DDR aufmerksam geworden.

Als SPUREN SUCHEN im September kam, habe ich einen Aushang gemacht. Für das erste Treffen wurden die interessierten Schüler vom Unterricht befreit. Ich habe meine Themenvorschläge gemacht; einige waren sofort vergeben, andere haben niemanden interessiert. Und es kamen natürlich auch aus der Gruppe Anregungen: Eine Schülerin brachte einen kompletten Briefwechsel ihrer Oma mit Verwandten in der DDR mit, den sie bearbeiten wollte.

SPUREN SUCHEN: Wie viel Zeit erfordert die Betreuung?

Geibel: Das hängt vom Lehrer ab und auch davon, wie weit er sich über den Unterricht hinaus engagieren will. Bei mir gibt es keine festen Sprechstunden, sondern ich treffe mich privat mit den Schülern. Wenn eine Gruppe längere Zeit nichts von sich hören lässt, dann frage ich nach, wie die Arbeit vorankommt. Die Hilfe richtet sich also ganz nach den Bedürfnissen und Schwierigkeiten der Schüler. Bei einigen schaue ich mir die Gliederung des Manuskripts an, andere möchten, dass ich mit ihnen zum Zeitzeugeninterview komme, wieder andere brauchen mich gar nicht und tauchen irgendwann mit der fertigen Arbeit auf.

SPUREN SUCHEN: Wo tauchen bei der Spurensuche am häufigsten Probleme auf?

Geibel: Mal abgesehen von der Themenfindung und der Motivation sind es sicherlich die ungewohnten historischen Methoden. Beispielweise können die Schüler kein Sütterlin lesen und so mit den Quellen anfangs wenig anfangen. Um diesem ersten Schock vorzubeugen, gehe ich einmal mit. So können auch Berührungsängste der Jugendlichen gegenüber dem Archiv und dem Archivar abgebaut werden. Sobald sie den Archivar kennen und wissen, wo ihre Quellen stehen, geht es meist von alleine weiter.

Probleme gibt es manchmal auch, wenn das Material gesammelt ist und das Schreiben beginnt. Was ist wichtig und was kann man weglassen? Wie stehen die Dinge untereinander in Zusammenhang? Was ist typisch für die damalige Zeit? Hier hilft es oft, aufmerksam zuzuhören und an wichtigen Stellen nachzufragen, also als Fachmann zur Verfügung zu stehen.

Nur: Keine Bevormundung und kein Druck. Schließlich machen alle freiwillig mit.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung des Schülerwettbewerbs Deutsche Geschichte

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